Im ausgehenden 19. Jahrhundert erlebte Hamburgs Norden einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung. Auf den Wiesen von Barmbek und Winterhude entstanden zahlreiche Werkstätten und Fabriken. Die beiden Dörfer waren für die Unternehmen ungemein attraktiv: Obwohl sich die Betriebe nördlich des Flüsschens Osterbek noch auf Hamburger Staatsgebiet befanden, lagen sie doch schon innerhalb des Deutschen Zollvereins. Damit ließen sich leicht Rohstoffe vom nahen Hafen beziehen und die hergestellten Produkte deutschlandweit zollfrei verkaufen. Die Osterbek selbst wurde bis 1912 schrittweise zum Kanal ausgebaut und ermöglichte einen einfachen Waren- und Personentransport über Hamburgs Wasserstraßen.
Mit der Industrie kamen auch große Infrastruktureinrichtungen in den Hamburger Norden. Am Kanal entstanden an der Osterbekstraße ein Gaswerk sowie am Alten Teichweg die zweite Müllverbrennungsanlage der Stadt. Ab 1912 war der Industriegürtel über Hamburgs erste U-Bahnlinie mit der Innenstadt verbunden. Am Barmbeker Bahnhof unterhält die Hochbahn bis heute ihre Hauptwerkstatt, zu der vorübergehend sogar ein eigenes Kraftwerk gehörte. 1914 wurde in Winterhude außerdem der Hamburger Stadtpark mit einem der damals deutschlandweit größten Wassertürme eröffnet.
Anfang des 20. Jahrhunderts hatten schließlich zahlreiche Großbetriebe ihren Sitz nördlich der Osterbek. Dieser Boom zog eine Vielzahl von Menschen aus der Umgebung an. In wenigen Jahren entstanden nahe der Fabriken große Wohnsiedlungen. Häufig errichteten dabei Genossenschaften oder die Unternehmen selbst imposante Wohnblöcke für ihre Arbeiter*innen.
Spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg zeichnete sich ein Wandel in der Hamburger Industrielandschaft ab. Rauchende Schornsteine passten immer weniger in Stadtviertel, die mittlerweile überwiegend aus Wohnhäusern bestanden. Manche Betriebe im Hamburger Norden nahmen die Arbeit nach den Zerstörungen daher gar nicht mehr, andere nur noch für kurze Zeit auf. Die 1970er Jahre leiteten das Ende des Industriestandorts Barmbek-Winterhude ein. Viele traditionsreiche Fabriken mussten sich erst verkleinern und die Produktion schließlich ganz einstellen oder an andere Orte verlagern.
Heute werden die verbliebenen Industriebauten nicht selten von Kultureinrichtungen genutzt. In den Räumen der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie befindet sich das Museum der Arbeit, die Hallen von Heidenreich & Harbeck gehören zum Jungen Schauspielhaus und die Gebäude des Winterhuder Kranherstellers Kampnagel bilden jetzt eine international bekannte Kulturfabrik. Auch wenn die meisten Spuren des industriellen Hamburger Nordens mittlerweile aus dem Stadtbild verschwunden sind, haben sich doch an manchen Stellen Blicke in die Vergangenheit erhalten. In der Route der Industriekultur sollen die wichtigsten davon kurz vorgestellt werden.
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