Harburg ist der am stärksten von Industrie geprägte Bezirk in Hamburg. Entscheidend für den Aufstieg zu einer bedeutenden Industriestadt war ihre Lage an der Süderelbe. Der Name geht auf die 1133 erwähnte „Horeburg“ (Sumpfburg) zurück. Reste der steinernen Burg von 1392 sind im Schlossgebäude erhalten. 1644 zu einer Zitadelle ausgebaut, siedelten sich die Bewohner südlich davon entlang der Harburger Schloßstraße an. Möglich machte dies der Bau von Deichen und Entwässerungsgräben.
Für die Schifffahrt ausgebaut dienten die Gräben der Marsch dann als Hafen. Das Königreich Hannover entschied sich trotz der Konkurrenz zu Hamburg und Altona und dem schwierigen Köhlbrand-Fahrwasser für einen modernen, über eine Schleuse erreichbaren Dockhafen. Sein 1849 vollendeter Bau veränderte Harburgs Situation entscheidend,
zumal hier 1847 der erste Zug aus Hannover ankam. Der direkte Umschlag zwischen Schiff und Bahn war ein Standortvorteil. Allerdings kostet Schleusen Zeit: Damit zog die Landungsbrücke für die (Personen-)Dampfer 1846 an die Süderelbe. Dort am Dampfschiffsweg 21 besteht noch heute das Harburger Fährhaus als Gastronomie. Das Königreich Hannover gehörte seit 1854 zum Deutschen Zollverein. Deshalb verlegten sogar Hamburger ihre Werke hierher. 1856 wuchs die örtliche Industrie schlagartig mit den ersten Kautschukfabriken. Gaiser folgte 1859 mit der Verarbeitung von Ölsaaten aus Afrika. Nach Übernahme des Königreichs Hannover 1866 durch Preußen folgten die großen Ölfabriken Thörl (1883 gegründet), Hobum (1896) und Teutonia (1902). 1913 war Harburg mit Abstand der größte Ölmühlenstandort in Europa.
Prägend für Harburgs Industrialisierung waren billige Arbeitskräfte aus der Region und anderen Teilen Europas sowie preiswerte Rohstoffe, die unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen vor allem aus Kolonien und sogar firmeneigenen Plantagen in Afrika, Südamerika und Asien („Übersee“) herangeschafft wurden. Damit fand die Wertschöpfung aus der Rohstoff-Verarbeitung nicht in den Erzeugerländern statt. Nach der Kolonialzeit wurden die Rohstoffe auf die gleiche Art bezogen und ließen die Betriebe weiter wachsen.
Mit den Schlüsselindustrien Öl und Gummi entwickelten sich, zum Teil ergänzend, auch andere Branchen, wie Chemie, Maschinen- und Schiffbau sowie die Bauwirtschaft mit den Betrieben H. C. Hagemann (1868 gegründet) und Aug. Prien (1873). Allen kamen die Neue Schleuse von 1881, der Ausbau des Binnenhafens bis 1893, die Vertiefung von Süderelbe und Köhlbrand sowie die anstelle des Dorfes Lauenbruch angelegten Seehäfen 1 bis 4 (1908 und 1929 eingeweiht) zugute.
1850 wohnten 5.000 Menschen in der Stadt, im Jahre 1900 waren es fast 50.000, und der Stadtkern war endgültig vom Hafenausbau nach Süden gedrängt. Seit 1872 fährt die Eisenbahn nach Hamburg, seit 1899 führen auch Straßen über die Elbe. Harburg wuchs 1927 mit dem benachbarten „Industrie-Dorf“ zur Großstadt Harburg-Wilhelmsburg mit 115.000 Einwohnern zusammen, die 1937 Teil von Groß-Hamburg wurde. „Harburg an der Elbe“ bildete ein modernes Gemeinwesen: mit Gasbeleuchtung seit 1858, Trinkwasserversorgung und Schlachthof seit 1892, Elektrizität seit 1901, Straßenbahnen seit 1902 und Kanalisation seit 1906. Außerdem gab es ein neues Postamt (1890) und Rathaus (1892) sowie ein Theater (1894). Doch die Monokultur einer auf Öl und Gummi basierenden Großindustrie mit sehr hoher Importabhängigkeit traf die Stadt mit ihren vielen Arbeitern in beiden Weltkriegen und der Weltwirtschaftskrise 1929 besonders hart.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Industrie auch dank vieler Zuwanderer noch einmal glänzend, ehe auch in Harburg die Deindustrialisierung einsetzte. Doch der durch die Unterelbebahn vom städtischen Süden getrennte Hafen- und Industriebezirk wird seit den 1990er Jahren wieder als Stadtteil wahrgenommen. Seitdem transformiert sich der Harburger Norden erneut: zu einem interessanten Mix aus Arbeiten und Wohnen, aus Alt und Neu sowie als Standort für Wissenschaft, Forschung und Innovation.
Historische Spuren gibt es reichlich, auch dank ausgeprägtem Denkmalschutz. Mit einer Gesamtlänge von 12 Kilometern streift die vorliegende Route gastronomische Angebote an den S-Bahnhöfen und im Umkreis des Kanalplatzes (Station 18). Dort halten die Busse der Linien 142 und 153, während die Linie 157 den Nord- und Westteil der Tour erschließt (Stationen 19 bis 21). Auch mit dem Rad lässt sich die Route gut befahren, allerdings ist sie nicht durchgehend barrierefrei. Begeben Sie sich entlang der 24 Stationen auf die Entdeckung der Harburger Industriekultur.
Weitere Informationen: www.geschichtswerkstatt-harburg.de
Flyer und Karte als PDF-Download: 24 Stationen der Industriekultur in Hamburg-Harburg
Gedruckte Exemplare der Neumünsteraner Route sind erhältlich unter:
Freie und Hansestadt Hamburg
Behörde für Wirtschaft und Innovation
Anne Reiter
E-Mail: anne.reiter@bwi.hamburg.de